Aller Anfang ist schwer

Jedes Jahr im August beginnt bei uns das neue „Kinderjahr“. Die älteren Kinder sind in den Kindergarten gekommen und neue Kinder kommen hinzu. Alles ist gleich und alles ist anders. Da gibt es viele Fragen, Unsicherheiten und somit häufig Zweifel. War das jetzt der richtige Schritt? Leidet mein Kind nicht zu sehr? Wird es einen seelischen Schaden nehmen? Bin ich eine Rabenmutter/-vater? All diese Fragen sind existent und dürfen gefragt werden. Im folgenden Kapitel wollen wir einige Zweifel nehmen, evtl. Antworten geben und die Eltern ermutigen immer wieder Fragen zu stellen.

 

 

Mein Kind ist neu in der Gruppe

 

Jedes Kind wird intensiv von einer Bezugsperson eingewöhnt. Dieser Eingewöhnungsprozess, angelehnt am Berliner Modell,  kann manchmal 1 ½ -2 Monate dauern. Anfangs begleiten die primären Bezugspersonen (Mutter oder Vater) das Kind. Individuell auf das Kind abgestimmt, entscheidet man nach ca. einer Woche, ob das Kind bereits für eine Stunde allein kommen könnte. Beide gemeinsame Zeiten, die Zeit mit den Eltern und die eine Stunde allein mit dem Kind werden immer am Nachmittag nach 15.00 Uhr stattfinden, um eine intensive Bezugsarbeit mit dem Kind zu gewährleisten. Erst wenn wir das Gefühl haben, das Kind hat eine Beziehung zu uns aufgebaut, kommt das Kind für 1 ½ Stunden in den Vormittag. Nach und Nach wird diese Zeit auf 3 Stunden erhöht.

Oftmals geschieht diese Eingewöhnung vor unserem Urlaub im Sommer, sodass nach der Eingewöhnung das Kind uns 2 Wochen nicht mehr sieht. Das ist nicht immer förderlich, aber leider nicht anders machbar, da wir ja erst durch den Weggang der künftigen Kindergartenkinder neue Platzkapazitäten haben. Wenn möglich nehmen sie sich die erste Woche nach dem Urlaub noch Zeit um das Kind zu begleiten.

Trotz und Alledem wird es manchmal noch Tränen beim Abschied geben. Wichtig ist, dass das Kind sich trösten lässt und dass seine Bezugsperson immer Zeit für das Kind hat. Durch die kontinuierliche Nähe und Aufmerksamkeit der Erzieherin wird das Kind mit der Zeit das Vertrauen aufbauen, welches es benötigt um sein Umfeld zu erkundigen.

Nach spätestens 3 Wochen aktiver Gruppenzugehörigkeit hat sich das Kind eingewöhnt. Es weiß, wie der Tag abläuft. Es kennt bereits die anderen Kinder und Erzieher. Sich frei und unbeschwert wohlfühlen wird das Kind meistens nach ca. 3 Monaten. Warum erst nach 3 Monaten? Wenn uns Eltern Das fragen, dann erzähle ich ihnen oft Folgendes:

Wenn man neu in einer Firma ist, dann weiß man manchmal nach der ersten Woche wo der Kopierer ist und wo die Stifte liegen. Das ist wichtig, trägt aber nicht zum Wohlfühlcharakter bei, weil man ja eigentlich viel mehr will und kann.  Nach einem Monat hat man die meisten Namen drauf und kennt sich bereits bei einigen Abläufen aus. Doch jedes neue Gesicht verunsichert einen. Muss ich den kennen? Kontrolliert er mich? Will der was von mir? Nach zwei Monaten bewegt man sich bereits sicher, wird jedoch immer wieder mit Neuem konfrontiert. Nach drei Monaten kennt man auch schon mal die Kollegen, bei denen man sich gern aufhält und die Kollegen denen man höflich distanziert begegnen sollte.  Nun fängt man  an, Freude an der Arbeit zu entwickeln.

Genauso geht es dem „neuen“ Kind, mit dem großen Unterschied, dass der „Chef“ immer bei ihm ist. Wir sind uns bewusst darüber, dass Kleinstkinder bis zum Ende des zweiten Lebensjahres und oftmals noch darüber hinaus „ihre“ erwachsene Bezugsperson immer benötigen. Das heißt nicht, dass wir uns immer aktiv in das Spiel einmischen müssen, sondern dass wir das Kind mit unserem Lächeln, mit Worten oder auch mit Handlungen in ihrem Spiel ermutigen und unterstützen.

 

 

Mein Kind ist bereits in der Gruppe

 

Auch wenn ein Kind bereits in der Gruppe ist, kann es nach dem Sommerurlaub Eingewöhnungsschwierigkeiten geben. Besonders betroffen sind Kinder ab 2 Jahren. Alles ist eigentlich genauso wie vor dem Urlaub, aber alles ist anders. Die „großen“ Kinder, die nun den Kindergarten besuchen fehlen. Oft haben sie noch vor dem Urlaub das Spiel bestimmt bzw. angeleitet. Man konnte sich gut an ihnen anlehnen.

Ab 2  Jahren verändert sich auch das Spielverhalten der Kinder. In den ersten beiden Lebensjahren sind es zuerst nur kurzzeitige spielerische Kontakte, häufig von interessantem Spielzeug ausgelöst. Nun beginnen die Sozialspiele. Sie vermitteln dem Kind Erfahrungen besonderer Art: Es lernt mit anderen zu kooperieren, probiert Möglichkeiten aus und erlebt Grenzen. Wir sind dafür da, zu erkennen, wann das Kind Ermunterung benötigt, um den Wunsch eines gemeinsamen Spiels zu bewerkstelligen.

Konflikte sind in dieser Zeit, besonders am Anfang unausweichlich und notwendig. Wichtig ist immer, dem Kind zu zeigen, dass seine Wut, Trauer oder Enttäuschung zu ihnen gehört, wie ihr Lachen und ihre Freude. Die Gefühle, egal welcher Art, sind immer richtig. Wir Erzieher sind nun gefordert, mit ihnen gemeinsam Wege zu finden, Konflikte zu lösen.

Das alles kann ein Kind sehr fordern, denn in dieser Zeit läuft vieles nicht so, wie man es gern möchte. Oft leiden Mädchen mehr unter Ablehnungen anderer Kinder als Jungen. „ Ich lad dich nicht zu meinem Geburtstag ein“ oder „Du bist nicht mehr meine Freundin“ sind Sprüche unter Mädchen, die genauso zu bewerten sind, wie Stockschläge unter Jungen. Sagt ein Mädchen so etwas zu einem Jungen, so nimmt er jenes zwar wahr, aber nicht mit der Intensität. Man könnte sagen, „es geht nicht ins Herz“. Diese Sprüche unter Mädchen gehen fast überall hin : Seele, Hirn und Herz. Bei dieser verbalen Gewalt ist unsere Mitwirkung genauso gefragt wie bei einer handgreiflichen Gewalt.

Ja, es ist ein anstrengendes Jahr für das Kind und es spürt es. Ängste und Unsicherheiten sind manchmal gegeben. Unsere Aufgabe ist es, dem Kind Wege zu zeigen, mit Sicherheit, Mut und Freude sein eigenes Ich und die Welt zu entdecken.